Werden unsere Hunde zunehmend depressiv, weil sie ein "Menschenleben" führen müssen und nicht einfach "Hund" sein dürfen?! Diese Frage stellte die Frankfurter Allgemeine vor einiger Zeit in dem Artikel "Wir wollen Agility machen, nicht der Hund" einem Hundepsychologen.
Der Hundepsychologe bestätigte, dass es heute seiner Meinung nach deutlich mehr depressive Hunde gibt. Er begründete dies unter anderem mit den heutigen Erziehungsmethoden und den damit verbundenen Wunsch vieler einen perfekten Hund zu haben. Für ihn müsste ein Hund viel öfters einfach nur Hund sein dürfen. Das fängt zum Beispiel damit an, empfiehlt er, dass Hunde einen „normalen“ Tagesablauf haben sollten.
Viele Hundehalter hätten einen straffen Terminkalender für die Aktivitäten mit ihren Vierbeiner, wie wir es auch bei Eltern und ihren Kindern beobachten könnten. Er verweist hierbei auf seine Beobachtungen, die er bei Straßenhunden in Indien und Afrika machen konnte und den Tagesabläufen von Wildhunden und Wölfen. Seiner Meinung nach würde es dem Hund vollkommen reichen sein Revier zu durchwandern und zu schnüffeln. Hundesportarten, wie zum Beispiel Agility, gehen für ihn auf Kosten des Hundes, weil wir Menschen es wollen und nicht der Hund. Wobei er auch einräumt, dass es richtig dosiert nicht schädlich ist, aber häufig auch mit hierfür ungeeigneten Rassen ausgeübt wird.
Stellen wir zu hohe Ansprüche an unseren Hund?
Mich haben diese Aussagen sehr nachdenklich gemacht. Auch ich hatte viele Ansprüche an Chiru als er bei uns einzog. Ich wünschte mir einen Hund, der mich problemlos ins Büro begleiten würde. Wir wohnten früher in einem 9-Familienhaus. Natürlich sollte er auch dort nicht durch häufiges Gebell bei den Nachbarn negativ auffallen. Um bereits im Vorfeld allen Gefahren aus dem Weg zu gehen, besuchten wir auch die Hundeschule mit ihm... In dieser Hinsicht stimme ich dem Hundepsychologen zu, dass Menschen häufig einen viel zu perfekten Hund haben möchten.
"Hunde sollten viel häufiger einfach nur durch ihr Revier laufen dürfen und schnüffeln"
Diese Meinung des Hundepsychologen deckt sich nur teilweise mit meinen eigenen Erfahrungen. Auch ich bin in meiner Freizeit gerne mit Freunden und Bekannten zusammen. Schnell füllte sich mein Terminkalender mit Aktivitäten, bei denen mich Chiru immer begleitete. Außerdem, wer wünscht sich nicht einen gut sozialisierten Hund, der mit dem Alltag und Artgenossen gut zu Recht kommt?! Auch in dieser Hinsicht bemühte ich mich, den "Jungspund" Chiru genug Abwechslung zu bieten. Wie schnell alle diese Dinge für Chiru zum großen Stressfaktor wurden könnt ihr ihn meinem Blogartikel "Kratzen = Allergie?!" nachlesen.
"Wir wollen Agility machen, nicht der Hund"
Schwierig finde ich jedoch das Thema "Hundesport" ganz zu verteufeln. Wobei der Psychologe auch in dem Artikel einräumt, dass gegen eine dosierte Ausübung von Hundesport, wie zum Beispiel "Agility", nichts einzuwenden ist. Trotzdem provoziert mich seine Aussage, dass wir Menschen das wollen und nicht der Hund.
Ich habe zwei Jahre mit Chiru Agility gemacht. Klar Chiru kam nicht zu mir und bellte mir zu "Sali ich will zum Hundesport..." Der Grund hierfür war aber auch nicht, dass ich so sportlich bin und meine Qualitäten gerne öffentlich zur Schau stelle. Es kostete mich sogar oft Überwindung, weil ich mir den Parcour immer nur schwer merken konnte und nicht gerne im Mittelpunkt stehe... Ich wusste jedoch wie gerne Chiru rennt, über Hürden springt und klettert – alles Dinge, die in vielen Hundesportarten vorkommen.
Außerdem empfinde ich es als sehr wichtig mit Chiru Dinge gemeinsam zu machen. Was fördert besser die Bindung zueinander als positive Erlebnisse?!
„Hunde wollen nur ruhig vor sich hin leben“
Kritisch stehe ich auch der Aussage gegenüber, dass es dem Hund reicht sein eigenes Revier zu durchstreifen und genügend Zeit zum Schnüffeln zu haben. Dann wäre mein „Lieblingsaufreger“ ja gar nicht so schlimm: Menschen, die beim Spaziergang ständig ihr Handy in der Hand haben und ihren Hund sich selbst überlassen. Außerdem stelle ich bei Chiru häufig ein richtiges Kontrollverhalten bei unseren Spaziergängen im "heimischen" Revier fest. Wichtige Markierungspunkte müssen von ihm kontrolliert werden. Den Rüden aus der Nachbarschaft muss er immer wieder die Grenzen demonstrieren. Ganz zu schweigen von seinem Stress, ob auch kein fremder Rüde in „sein“ Territorium eingebrochen ist.
Meiner Meinung nach, hat es viel eher eine positive Wirkung auf Chiru mit mir gemeinsam neue Spazierstrecken zu entdecken. Außerdem werden bestimmt einige von euch, die einen älteren Hund haben auch die Erfahrung machen, dass die gewohnten Gassirunden langsamer und lustloser gelaufen werden. Sind wir allerdings in einem "neuen" Gebiet unterwegs, kann ich gar nicht so schnell hinschauen, wie Chiru vor mir her flitzt. „Verliere“ ich dann noch Gegenstände, die er für mich suchen darf oder wir klettern gemeinsam über Baumstämme, erinnert er mich wieder an den ausgelassenen Junghund von früher.
Natürlich empfinde ich es auch als wichtig, dass Chiru die Möglichkeit hat auf den Spaziergängen in Ruhe zu schnüffeln. Auch wenn es mir manchmal im strömenden Regen schwerfällt fünf Minuten an einem Grashalm stehen zu bleiben. Aber sollen alle Spaziergänge tatsächlich nur daraus bestehen? Nehmen wir uns damit nicht die Chance unsere Hunde auch Artgerecht zu fordern? Viele von uns haben Hütehunde, die für die Arbeit mit den Herden gezüchtet wurden. Hunde sind intelligente Tiere mit vielen Fähigkeiten. Verkümmern diese nicht, wenn wir sie nur sich selbst überlassen und ihnen keine Anregungen bieten?
Natürlich empfinde ich es auch als wichtig, dass Chiru die Möglichkeit hat auf den Spaziergängen in Ruhe zu schnüffeln. Auch wenn es mir manchmal im strömenden Regen schwerfällt fünf Minuten an einem Grashalm stehen zu bleiben. Aber sollen alle Spaziergänge tatsächlich nur daraus bestehen? Nehmen wir uns damit nicht die Chance unsere Hunde auch Artgerecht zu fordern? Viele von uns haben Hütehunde, die für die Arbeit mit den Herden gezüchtet wurden. Hunde sind intelligente Tiere mit vielen Fähigkeiten. Verkümmern diese nicht, wenn wir sie nur sich selbst überlassen und ihnen keine Anregungen bieten?
Hundespielwiesen als Auslöser für Depressionen?
Einen weiteren Auslöser für häufiger auftretende Depressionen bei Hunden sieht der Psychologe bei unseren Gedankenansatz „mein Hund muss doch mit Artgenossen spielen“ und den regelmäßigen Besuch von „Spielwiesen“. Gerade bei allen in der Stadt Lebenden, sind diese Freilaufflächen ja sehr beliebt. Leider trifft man dort nicht nur auf gut sozialisierte Hunde und es kann sogar sein, dass der eigene Hund gemobbt wird. Für den Hund eine schlimme Situation beschreibt er in dem Artikel, da es für ihn keinen Ausweg gibt und er der Situation nicht aus den Weg gehen kann. Er empfiehlt stabile Kontakte zu befreundeten Hunden, die wir einschätzen können.
Das finde ich ist ein sehr wichtiger Punkt, in dem wir wirklich sehr häufig unsere eigenen menschlichen Eigenschaften zu sehr auf den Hund übertragen. Gerade bei Chiru musste ich sehr früh feststellen, dass fremde Hundegruppen bei ihm Stress auslösten. Hundeschulen und gerade die Welpenspielstunden boomten als Chiru bei uns einzog. Einen Welpen großziehen ohne, dass er das „Welpenspiel“ besuchte? Schon fast bei vielen, und wie ich auch zugeben muss bei mir, undenkbar. Wieviel dabei falsch laufen kann und das man gerade durch eine falsche Welpenschule Verhaltensprobleme auslösen kann, berichte ich im kommenden Blogartikel „Rückblicke – 10 Jahre mit Chiru“.
Aber auch im normalen Alltag sieht man häufig Situationen in denen fremde Hunde aufeinander „losgelassen“ werden, damit sie miteinander spielen können. Die Menschen stehen währenddessen am Rand und unterhalten sich, ohne das Geschehen im Auge zu behalten. Schnell kippen die Situationen und aus einem „harmlosen Spiel“ für den Betrachter wird ein Machtkampf.
Heute vermeide ich solche Situationen mit Chiru grundsätzlich. Trotzdem möchte mich auch nicht davon frei sprechen in der Vergangenheit in dieser Hinsicht nicht auch öfters Fehler gemacht zu haben.
Führen unsere Hunde denn nun meiner Meinung nach ein Menschenleben?
Grundsätzlich stimme ich den Ansichten des Hundespsychologen in einigen Dingen zu. Ich bin auch der Meinung, dass man darauf achten muss, dass der Hund nicht zu viele Aktivitäten in seinem normalen Alltag hat. Chiru muss nicht jeden Tag ein Actionprogramm geboten werden. Es ist meiner Meinung nach viel wichtiger, einen gesunden Ausgleich zwischen gemeinsamen Aktivitäten und Routinen im Alltag zu finden. Wobei ich Hundesport- und Spielarten als sehr positiv im Zusammenleben mit unseren Vierbeinern empfinde. Meiner Meinung nach fördert es die Bindung zwischen Chiru und mir und hilft unsere Hunde auch geistig auszulasten.
Ich denke alle diese Dinge würde der Hundepsychologe aber auch gar nicht bestreiten und ihm geht es in dem Artikel um etwas ganz anderes. Wir machen viel zu häufig den Fehler den neuen Erziehungstrends zu folgen. Anstatt auf die eigenen Erfahrungen und das Bauchgefühl zu hören, glauben wir neuen Hundetrainern, die uns für das Zusammenleben mit unseren Hunden neue Regeln aufstellen wollen. Hunde benötigen kein „rund um die Uhr“-Programm, um geistig ausgelastet zu werden. Es muss nicht immer der Fährtenkurs in der Hundeschule sein. Es reicht auch im Garten einen alten Socken zum Beispiel zu verstecken, den der Hund suchen darf. Aber bei allen unseren Aktivitäten sollten wir im Auge behalten, dass wir Menschen vielleicht gerne rund um die Uhr mit Freunden und Bekannten zusammen sind und mit einen vollen Terminkalender gut leben können. Unsere Hunde aber nicht! Bei ihnen löst ein zu Viel auch Krankheiten und wie der Psychologe schreibt, Depressionen aus. Halten wir uns alle diese Dinge vor Augen „entstressen“ wir uns auch selber und können es einfach genießen unseren Hund einfach nur mal Hund sein zu lassen.
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